Programmierende Mädchen und pflegende Jungs

Bielefeld/Gütersloh/Minden (fhb). Ganz praxisnahe Einblicke in die Studiengänge der Fachhochschule (FH) Bielefeld gab es beim diesjährigen Girls- und Boys‘-Day. Bundesweit können Schülerinnen und Schüler an diesem Tag Berufe kennenlernen, in denen das eigene Geschlecht deutlich unterrepräsentiert ist, und die beim Prozess der Berufsorientierung selten in Betracht gezogen werden. Der bundesweite Zukunftstag wird jährlich vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V., einem An-Institut der FH Bielefeld, ausgerichtet.

Im zdi-Schülerinnen- und Schülerlabor experiMINT am Campus Bielefeld erhielten 17 Schülerinnen einen Einblick in die Welt der Technik: Unter dem Motto „Traum vom Fliegen“ führten Manuel Mai gemeinsam mit Aynur Akbulut, Annalena Kirstein und Klaus Baumgart die Mädchen in das Thema Flugtechnik ein und bauten mit ihnen eigene Papierflugzeuge inklusive Motor. Thalia (14) vom Friedrichs-Gymnasium in Herford hatte von einer Freundin das Angebot im Schülerinnenlabor empfohlen bekommen. „Bisher habe ich an der Schule nichts in der Richtung gemacht, daher wollte ich das hier gerne mal ausprobieren“, erzählt Thalia. Auch ihre Tischnachbarin Ana Selina (10), Schülerin am Gymnasium in Schloss Holte-Stuckenbrock, war neugierig und wollte mehr zum Thema Fliegen lernen. „Ich habe mir schon gedacht, dass wir Papierflieger bauen werden. Dass die aber sogar mit kleinen Motoren sind, ist besonders toll.“

Ebenfalls am Campus Bielefeld schnupperten 12 Schülerinnen in den Studiengang Angewandte Mathematik. Nach einer Führung durch die Labore und Seminarräume lösten sie gemeinsam mit Dr. Elke Koppenrade, Dozentin am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik, mathematische Rätsel. Außerdem berichteten ihnen die Studierenden, welche Möglichkeiten es gibt, als Mathematikerin in der Wirtschaft zu arbeiten.

Am Campus Minden wurde sogar eine eigene, wenn auch fiktionale Firma, gegründet. Eine Marktanalyse der  „Motorenwerke Minden GmbH“ hatte ergeben, dass bisher verhältnismäßig wenig Frauen ihre Motorräder kauften. Die 16 Schülerinnen der Klassen 7 - 9 bekamen die Aufgabe, nicht nur das Design des bisherigen Motorradmodells zu verändern, sondern auch neue Fahrassistenzsysteme zu entwickeln. Karla (12) und Gina (13) von der Realschule Hausberge waren gemeinsam zum Campus Minden gekommen. „Das Gestalten des Motorrads hat mir sehr viel Spaß gemacht, da man seine eigenen Ideen direkt umsetzen konnte“, erklärt Karla, bevor sie sich wieder dem Simulationsprogramm widmet. Mit dem studiengangsübergreifenden Projekt bekamen die Schülerinnen so Einblicke in die Berufsfelder von studierten Elektrotechnikerinnen, Wirtschaftsingenieurinnen und auch Informatikerinnen, denn zum Abschluss programmierte jede Schülerin unter der Anleitung von Professorin Dr. Grit Behrens eine eigene Homepage, auf der sie ihr neues Motorrad-Modell vorstellten. „Wir wollen den Schülerinnen ganz konkret zeigen, was man mit den technischen Studiengängen später im Beruf macht“ fasst Bettina Wittbecker, die den Zukunftstag am Campus Minden organisiert hatte, das studiengangsübergreifende Projekt zusammen.

Doch nicht nur Mädchen bekamen die Gelegenheit in „untypische“ Berufsfelder reinzuschnuppern. Für acht Jungs öffnete das Skills Lab der Lehreinheit Pflege und Gesundheit am Campus Minden seine Türen. Hier bekamen sie von Deborah Damkröger und zwei Studenten der Lehreinheit nicht nur gezeigt, wie man fachgemäß Puls misst oder sich die Hände desinfiziert, sondern lernten auch einiges über den richtigen Umgang mit Patienten. Ein 25 Kilo schwerer Alterssimulationsanzug half dabei, sich in die Lage von älteren Menschen zu versetzen.

Über ihren persönlichen Weg in die „Männerdomäne“ der Ingenieurwissenschaften referierten Professor Dr. Mariam Dopslaf, Dr. Lisa Teich und Sissy-Christin Lorenz am Campus Gütersloh und motivierten die Schülerinnen, Berufe im MINT-Bereich zu ergreifen. Anschließend erforschten die zehn Schülerinnen unter der Leitung von Professor Stefan Berlik ganz interaktiv die Funktionsweise von „Deep Learning“ am Beispiel einer Handschrifterkennung. Ein eigenes 3D-Computerspiel entwickelten und testeten die Mädchen anschließend  mit Professor Christian Schwede, bevor die gemeinsame Abschlussrunde die Möglichkeit bot, letzte Fragen zu stellen.

Das An-Institut der FH Bielefeld, das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit, koordiniert - gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - alle Angebote des Boys‘ und Girls‘ Day, die bundesweit stattfinden. Der Girls‘ Day erhält darüber hinaus eine Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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Programmierende Mädchen und pflegende Jungs
Thalia feilt noch an der Technik ihres Fliegers und erhält dabei Unterstützung durch Aynur Akbulut, Hilfskraft im Schülerinnenlabor. Foto: Malin Stuckmann